Seekrankheit
Ursachen der Seekrankheit und deren Behandlung
Seekrankheit ist eine multifaktorielle Erscheinung, die aus dem Zusammenwirken von drei unterschiedlichen Problembereichen entsteht.
1. Der eigentliche Auslöser
Auslöser ist die sogenannte sensorische Diskrepanz. Dabei entsteht ein Konflikt zwischen dem Gleichgewichtssinn im Innenohr (Vestibularapparat), und der Propriozeption einerseits und der visuellen Wahrnehmung andererseits. Wenn sich unser Körper (z. B. durch Wellengang) bewegt, die visuelle Wahrnehmung diese Bewegung jedoch nicht bestätigt (z. B. in einer Kabine ohne Sicht nach draußen), kann das Gehirn kein konsistentes Bild erzeugen. Dieser Zustand löst eine Gefahrenreaktion im Nervensystem aus.
2. Die Reaktion des Nervensystems
Das Nervensystem reagiert unweigerlich auf diese Situation. Zunächst wird der Sympathikus aktiviert, was Flucht- und Kampfreaktionen auslöst. Da diese an Bord jedoch wenig sinnvoll sind, aktiviert das Nervensystem den dorsalen Teil des Vagusnervs, was zu einem Shut-Down oder Freeze führt. Der Mensch wird „stillgelegt“ und kann dies kaum willentlich ändern.
Zusätzlich wird das Brechzentrum aktiviert, da die sensorische Diskrepanz fälschlicherweise als mögliche Vergiftung interpretiert wird. Die Symptome der Seekrankheit entsprechen somit dem Herunterfahren des Systems (Freeze) - eine Schutzreaktion des Nervensystems, um Energie in potenziell lebensbedrohlichen Situationen zu sparen.
3. Konditionierung dieser Reaktion und das Trauma der Seekrankheit
Das Reaktionsmuster des Nervensystems auf den Auslöser der Seekrankheit, kann bei wiederholter Aktvierung, unter Umständen konditioniert werden. Um das Überleben zu sichern, schaltet das Nervensystem beim Auftreten bestimmter Reize dabei automatisch in den Freeze (die Seekrankheit), ohne erst auf die Überlastung des Systems zu warten. Häufig handelt es sich dabei um eine Kombination von Reizen, die mit der Bewegung des Bootes zusammen auftreten. Dazu zählen Stressfaktoren wie die soziale Situation an Bord, Wetterbedingungen, Geräusche, Gerüche oder Gefühle wie Angst und Ausgeliefertsein.
Wenn die Seekrankheit in der Vergangenheit zu traumatischen Erlebnissen geführt hat, kann sie im schlechtesten Fall in einer „Trauma-Spirale“ verankert sein. Das erklärt, warum einige Menschen besonders stabil unter Seekrankheit leiden und intensivere Behandlung benötigen.
Die Behandlung
Wir behandeln alle drei Bereiche individuell, je nach Ausprägung. Für viele Menschen reicht ein gezieltes Training zur Verhaltensänderung aus, um langfristig und vollständig von der Seekrankheit befreit zu sein. Nach unseren internen Untersuchungen gilt dies für etwa 60–70% der Teilnehmenden.
Ein weitere Teil der Betroffenen profitiert von Methoden, die direkt auf das Nervensystem wirken und auch Teil unsere Behandlung sind. Bei einem kleinen Teil der Teilnehmenden kann eine Art therapeutische Intervention erforderlich sein, um bestehende Konditionierungen zu lösen, die z. B. mit Angst oder andere Stressfaktoren gekoppelt sind und zum Auslösen der Seekrankheit führen können.
Für viele Teilnehmende gilt, dass sie, nach längeren Landaufenthalten, kleine Übungseinheiten durchführen müssen, um die "neue" Kalibrierung für das Bewegen an Bord wieder zu aktivieren. Diese "Bord-Kalibrierung" dauert dann nur etwa eine Minute.
Weitere Informationen zur Seekrankheit und unseren Behandlungs- und Trainingsangeboten, finden Sie hier:
Überprüfung der Wirksamkeit
Um die Wirksamkeit der Therapie zu überprüfen, führen wir fortlaufend Umfragen an den Teilnehmenden durch. Das geschieht durch fragebogengestützte Untersuchungen, die jeweils 3-5 Monate nach jedem Therapie-Training erhoben werden.
Im Folgenden fassen wir kurz einige der ersten, Ergebnisse zusammen:
Per Oktober 2025, haben 99 Teilnehmende an der Untersuchung teilgenommen. Alle haben ein Therapie-Training durchlaufen.
- 94% aller Teilnehmenden geben an, dass das TilliT - Training ihr Verhalten auf See verändert hat.
- 82% geben an, dass sich die Anfälligkeit gegen Seekrankheit verringert hat, oder stark verringert hat.
- 84% waren mit den Ergebnissen des Trainings zufrieden oder sehr zufrieden.
Forschung mit VR-Brillen und Simulatoren
Das TilliT® Institut arbeitet kontinuierlich an der Weiterentwicklung seiner Trainingsmethoden. In den folgenden Monaten forschen wir an der Nutzung von VR-Brillen in den Trainings. Hierbei werden den Teilnehmenden spezielle Wellenfilme über eine VR-Brille gezeigt, während sie auf einem gemäßigten Balance-Brett stehen. Durch die Diskrepanz zwischen den gezeigten Bildern und der realen Bewegung der Unterlage wird die Augenorientierung gezielt herausgefordert. Gleichzeitig begleiten Entspannungsübungen die Trainingssequenz und ermöglichen eine Zentrierung der Körperachse über das Gleichgewicht.
Simulatoren als nächster Schritt
Um die Trainingsqualität weiter zu steigern, planen wir den Einsatz von Simulatoren. Für diese Erweiterung suchen wir geeignete Räumlichkeiten sowie Partner,
die die Simulatoren bereitstellen und betreuen.